Knowledge will forever govern ignorance, and a people who mean to be their own governors,must arm themselves with the power knowledge gives.
A popular government without popular information or the means of acquiring it, is but a prologue to a farce or a tragedy or perhaps both.


-- James Madison --

in English



Mollath-Skandal: Chance für Neuorientierung?


Gustl Ferdinand Mollath (* 7. November 1956 in Nürnberg), Whistleblower wurde 2006 in einem Strafprozess wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Wegen der im Verfahren behaupteten Gemeingefährlichkeit wurde er danach zwangsweise in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Das Strafverfahren, die Umstände der Urteilsfindung und die Rechtmäßigkeit der Zwangsunterbringung werden in der Öffentlichkeit breit und kritisch diskutiert.

Nach der Freilassung Mollaths am 6.8.2013 durch OLG Nürnberg war der lange Marsch zur Wahrheit, Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit angesagt.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde am 6.8.2013 vom OLG Nürnberg angeordnet. Das Bundesverfassungsgericht verneinte am 5.9.2013 die Verfassungsmäßigkeit der 7 1/2 jährigen Unterbringung in der forensischen Psychiatrie. Nach einem erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren wurde Mollath im Jahr 2014 in einer neuen Hauptverhandlung freigesprochen.

Der Freistaat Bayern ging im November 2019 einem Vergleich mit einer Entschädigung von € 600.000 ein. Eine Gesetzesänderung von 2016, die die Rechte gerichtlich in die Psychiatrie eingewiesener Menschen verbesserte, kommentierten manche als Reaktion auf den Fall.

Da die Justiz und die Gerichte die Schwarzgeldvorwürfe nie umfassend untersuchte, gab es außerdem Spekulationen, Mollath sei Opfer einer Intrige zur Vertuschung dieser Vorgänge geworden – insbesondere seit ein 2012 öffentlich gewordener Revisionsbericht der Bank Unregelmäßigkeiten feststellte, die Mollaths Vorwürfe bestätigten, soweit sie nachprüfbar waren.

Wie haben Psychiatrie, Justiz, Politik und Presse diesen Fall behandelt und warum müssen die oben dargelegten Schlussfolgerungen gezogen werden?

Psychiatrie

Der Bonner Psychiatrie-Professor Dieckhöfer hat in seiner Analyse das Gutachten von Dr. Klaus Leipziger nach Aktenlage, das 2006 zur Zwangseinweisung Mollaths in die Psychiatrie geführt hatte, als „unwissenschaftlich“ bezeichnet. Gegenüber der tz meinte Dieckhöfer: „Dr. Leipziger hat die Schwarzgeld-Behauptung nicht recherchiert, sondern einfach als paranoides Gedankensystem abgetan. Auch das Gutachten von Prof. Friedemann Pfäfflin nimmt nicht belegte Annahmen als Basis seiner Diagnose. Ich habe noch nie solche absurden Gutachten gesehen!“ Jedenfalls hat ein später bekannt gewordener interner Revisionsberichts der HypoVereinsbank im Hinblick auf die erhobenen Schwarzgeldvorwürfe festgestellt: "Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt." Wie soll durch Aktenstudium und Beobachtung in  sechswöchiger rechtswidriger Zwangsinternierung im Jahre 2005 ohne Exploration (Gespräch) Schuldunfähigkeit für 2001 festgestellt werden? Prof. Dr. Kröbers Verteidigung "daß es staatliche und juristische Entscheidungen sind, die Herrn Mollath dorthin gebracht haben, wo er jetzt ist" greift nicht, da das erste Gutachten die Grundlage des Urteils war. Sowohl Dr. Weinberger als auch Dr. Simmerl verneinen nach Exploration gemeingefährliche paranoiden Schizophrenie. Die Menschenrechtsbeauftragte Dr. med. Maria E. Fick regt am 29.10.2012 Wiederaufnahme an.

Die Analyse der forensischen Gutachten von Dr. Leipziger, Prof. Kröber und Prof. Pfäfflin zeigt, dass sie nicht überzeugend begründet sind, d. h. die “Darlegungs- und Beweislast” ist nicht erfüllt (1) und sie erfüllen Mindestanforderungen der Rechtsprechung nicht (2). Oliver García schrieb am 26. August 2013: "Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, aufgrund von Schriftstücken dieser Qualität würden Gerichte die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen – ich hätte ihn für verrückt erklärt." BGH Richter Thomas Fischer weist auf die Nazi-Ideologie des im Jahr 1933 installierten Sicherungsverwahrungs- und Maßregelgesetzes der Sicherung und Besserung “verrückter” Straftäter hin (3). Und macht auf Ähnlichkeiten dieser inhumanen Ideologie mit dem Denken innerhalb der Psychiatrie aufmerksam (4).

Justiz

Die Strafsache Mollath ist eine bisher von mir nie gesehene Ansammlung von vorsätzlichen Gesetzesverletzungen, gravierenden Verfahrensfehlern, gepaart mit schweren Verteidigungsfehlern und Versagen von kontrollierenden Instanzen. Hinzu kommt eine (...) geradezu unmenschlich erscheinende Ignoranz der jeweiligen Adressaten.“ (Prof. Dr. Henning Ernst Müller, Lehrstuhl für Strafrecht, Universität Regensburg, 23.02.2013)

Im Interview mit Telepolis sagt die Anwältin von Gustl Mollath: "Mollath wurde in einem Maße, wie es kaum zu beschreiben ist, Unrecht zugefügt". Ein Justizversagen mit "Fehlern die zum Himmel schreien" (Süddeutsche Zeitung 31.5.2013) wurde am 17.7.2013 zur "Farce": "Aus gesetzlicher Vernunft wird richterlicher Unsinn." Am 27. November 2012 schrieb Prantl in Bezug auf den Fall Mollath: “Eine Justiz, die Menschen ohne gründlichste Prüfung einen Wahn andichtet, ist selber wahnsinnig”. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 371/12 attestierte am 1.7.2013 der Justiz und Psychiatrie wahnhaftes Bestreiten von Tatsachen und Realitätsverlust um eigene Fehler zu verleugnen: "Gemeingefährlich sind - diese Anmerkung sei erlaubt - eher Richter, welche wegen eigener Wahnvorstellungen im Hinblick auf eine angebliche Gemeingefährlichkeit unschuldige Bürger jahrelang ihrer Freiheit berauben durch Einweisung in die Forensische Psychiatrie und selbst dann nicht von ihrem Fehlverhalten Abstand nehmen, wenn alle Verdächtigungen sich als unhaltbar erweisen".

Dass Mollath das alles aushielt und nicht durchdrehte, ist Beweis für seine psychische Stärke. Davon konnten sich alle, die ihn in der Sitzung des Untersuchungsausschusses sehen konnten überzeugen. Er schnitt wesentlich besser ab als Merk.

Mollaths Ex-Frau äußerte gegenüber Braun, dass sie ihrem Mann etwas anhängen werde, wenn Mollath keine Ruhe gibt. Die Staatsanwaltschaft bewertete 2011 Brauns Schreiben deshalb tätig zu werden als einen eigenen Wiederaufnahmeantrag. Dieser "unzulässige Antrag" wurde dann vom LG Regensburg mit € 60 Strafe belegt. Es ist "Verhöhnung des Rechts, wenn eine derartige Verfälschung als die Äußerung einer Rechtsmeinung etikettiert wird."

Auf gleichem Niveau liegt der Beschluss des LG Regensburg. Alle 14 Wiederaufnahmegründe der Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurden abgelehnt. Unechtes Attest wird anerkannt, neuer Zeuge Braun ignoriert und die Rolle der Wahnausweitung auf Dr. W. wird verkannt, Rechtsbeugungen und Verfälschungen im Urteil als "Fehler" heruntergespielt und die Bedeutung des Revisionsberichtes der HypoVereinsbank verneint. Dabei bleiben Rechtstaatlichkeit, Logik und Vernunft auf der Strecke. Außerdem war Mollath faktisch unverteidigt. "Das Gericht versucht mit Zähnen und Klauen, die Rechtskraft eines Unrechtsurteils aufrechtzuerhalten" und verhält sich "stillos und unverschämt" sagt sein Verteidiger und kündigt Beschwerde an.

Der Landgerichtsbeschluss 7 KLs 151 Js 4111/12 und 7 KLs 151 Js 4111/13 verwarft am 24.7.2013 die Wiederaufnahme von Gustl Mollath als unzulässig. Damit wurde Gustl Mollath Gerechtigkeit verweigert und Brixners Unrechtsurteil vom 8.8.2006 bleibt vorerst bestehen. Die Bayerische CSU Unrechtsjustiz zeigte damit, dass sie eine Schande für den Rechtsstaat und die zivilisierte Welt ist.

Politik

Die dem CSU Justizministerium durch Anstellung, Beförderung und Dienstaufsicht unterworfenen Richter haben sich über das Gesetz und Verfassungsgericht gestellt, obwohl sie laut Grundgesetz dem Gesetz unterworfen sind. “Wir erliegen nicht dem Bild des Bundesverfassungsgerichtes, dass wirklich jeder Täter geläutert, wieder gut werden kann! Das ist gerade nicht die Realität." (Merks Regierungserklärung 17.10.2012). Auch vorher wurde das Verfassungsgericht und der EGMR von ihr kritisiert wegen zu milder Behandlung von schuldunfähigen Straftätern. Nun erklärt Merk, sie dürfe Bayerische Richter nicht kritisieren und weist Kritik an Justiz zurück. Auch ein dienstaufsichtliches Verfahren wegen Rechtsbeugung unterbleibt. Wenn die Bayer. Justiz die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bisher ignorierte, folgte sie damit den Wünschen von Justizministerin Merk. Merk weist zwar immer wieder darauf hin, dass sie Entscheidungen von Gerichten nicht zu kommentieren habe – machte sich aber Urteile zu Ungunsten Mollaths zu eigen.

Deshalb war zu fordern die CSU abzuwählen und zu veranlassen, dass das Bundesverfassungsgericht und wenn nötig der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Bayern wieder dem Recht und der Zivilisation unterwirft.

Es kommt nun deutlich heraus, dass die Zwangspychiatrie ein rechtsfreier Raum ist. Die Praxis in anderen Staaten zeigt, dass das nicht so sein muss.

Presse

Zwar hat die Süddeutsche Zeitung und Michael Kasperowitsch sehr gut recherchiert, aber obrigkeitshörige Teile der deutschen Presse ("LaLa Journalismus": Lakotta, Lapp) verteidigten sogar die unvernünftige Verweigerung der Wiederaufnahme, d. h. Unfähigkeit Fehler zu korrigieren.

Bedauerlicherweise werden dem gewöhnlichen Zeitungsleser und "Pressekonsumenten" nicht alle oben angeführten Informationen zugänglich gemacht. Die deutsche Presse hat hier ein großes Verbesserungspotential verglichen mit anderen zivilisierten Ländern. Deshalb müssen Unterstützer und interessierte Juristen/Bürger einfach im Internet eine eigene alternative Öffentlichkeit schaffen.

Dagegen referiert die Neue Züricher Zeitung am 8.8.2013 die Frage, ob der "Staat mit den Banken unter einer Decke stecke" und einen Whistleblower weg gesperrt habe. Jedenfalls hat die von Mollath angezeigte Hypo-Vereinsbank in den USA der Zahlung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung zugestimmt.

Mollath selber wünscht Transparenz und Aufklärung der Öffentlichkeit (Rede am 07.09.2013 auf Münchner Marienplatz). Der Bürger soll erfahren, was "im Namen des Volkes" geschieht.

Nach der durch öffentlichen Druck und Unterstützern erreichten Freilassung geht es nun um einen gerechten Wiederaufnahmeprozess, Rehabilitierung und Wiedergutmachung.

Schlussfolgerungen

Es ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

Nach der Freilassung Mollaths am 6.8.2013 durch OLG Nürnberg ist der lange Marsch zur Wahrheit, Wissenschaftlichkeit, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit angesagt.

Briefe und Anlagen zum Mollath Skandal:



Hintergrund/Referenzen:

  1. Oliver García (26. August 2013): Fall Mollath: Der Schleier ist gelüftet http://blog.delegibus.com/2013/08/26/fall-mollath-der-schleier-ist-gelueftet/ Analyse der Gutachten, von Dr. Leipziger, Prof. Kröber und Prof. Pfäfflin

  2. Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel: Rechtsfehler bei Unterbringung und im Maßregelvollzug besonders hinsichtlich forensisch-psychiatrischer Gutachten.
    Beiträge, Vorschläge und Anregungen zur Diskussion der Reform um die §§ 63 ff StGB (Beispiel: Fall Gustl F. Mollath)

  3. Am 24. November 1933 (RGBl. Band 1, 995) wurde die Maßregeln der Sicherung und Besserung in das Strafgesetzbuch eingeführt. Die Zweispurigkeit des Strafrechts hat bis heute Bestand.
    http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?apm=0&aid=dra&datum=19330004&seite=00000995&zoom=2

  4. BGH Richter Thomas Fischer weist auf die Nazi-Ideologie des im Jahr 1933 installierten Sicherungsverwahrungs- und Maßregelgesetzes der Sicherung und Besserung “verrückter” Straftäter hin. Und macht auf Ähnlichkeiten dieser inhumanen Ideologie mit dem Denken innerhalb der Psychiatrie aufmerksam: http://www.zeit.de/2013/35/mollath-skandal-strafrecht/komplettansicht

  5. HFR 1996, Beitrag 9, Prof. Dr. Gerhard Wolf: Befreiung des Strafrechts vom nationalsozialistischen Denken? http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/9-1996/index.html


Entwicklung:



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Gewaltentrennung in Europa:



Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.