In English:

Knowledge will forever govern ignorance, and a people who mean to be their own governors,
must arm themselves with the power knowledge gives.

-- James Madison --

Zugang zu Information ist ein Teil der Meinungsfreiheit, zusammen mit einer aktiven Bürgerschaft - daher sind es Vorbedingungen für die Sicherung einer lebendigen und gut informierten Demokratie. NGOs fordern von den Regierungen internationale und nationale Standards zu respektieren und mit ihnen in Übereinstimmung zu handeln.

Das 1. OSTSEE-NGO FORUM 2001

Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht.

Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft



Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang



Seit Jahrhunderten galt in Deutschland der Grundsatz der Amtsverschwiegenheit (Arcanum). Wer Einsicht haben wollte, musste ein persönliches «berechtigtes Interesse» nachweisen.

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem Bürger Zugang zu behördlichen Informationen bekommen unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt.

International wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten als Menschenrecht gemäß Internationalem Pakte über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und Voraussetzung für Demokratie angesehen.

Im folgenden wird der Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung im Ostseeraum, weltweit und in Deutschland untersucht. Dabei steht die Praxis und juristische Durchsetzungsmöglichkeiten anhand von Beispielen im Vordergrund. Die internationale Rechtslage wird mit der Möglichkeit verglichen dieses Menschenrecht juristisch in Deutschland durchzusetzen. Dabei wird der Einfluss der EU, des Europarates und der Vereinten Nationen untersucht. Zum Schluss werden Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und dem Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen empfohlen um dem Informationszugang auch in Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz zum Durchbruch zu verhelfen. Allerdings muss vorher der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden.

Dies ist eine kommentierte und etwas weiter entwickelte Version einer stichwortartigen, etwas kürzeren deutschen und englischen PowerPoint Vorlage (pdf). Diese Erklärungen machen die Stichworte hoffentlich etwas leichter verständlich.

Der Autor Walter Keim, 1948 in Schwäbisch Gmünd geboren, war bis 2010 Dozent an der Hochschule in Sør-Trøndelag (Trøndelag University College) in Trondheim, Norwegen und unterrichtete dort in der Abteilung für Informatik und e-Learning. Er ist Dipl.-Ing. (TU Berlin) und Magister (Norwegian University of Science and Technology NTNU). Walter Keim ist Bürgerrechtskämpfer und Internet-Aktivist für Informationsfreiheit in Europa. Er arbeitete mit der Dynamik großer Windmühlen (1978-82), Rostschutz von Offshore-Plattformen (1982-1990) und studierte auch Rechtswissenshaft als Teil einer interfakultären Magisterausbildung (1990-95). Der Autor hat umfangreiche praktische Erfahrungen mit Informationsanfragen in Deutschland und Norwegen.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages konnte sich Keims Forderung aus dem Jahre 2001 nach einem Informationsfreiheitsgesetz im Bund nicht verschließen. Der Präsident des Bundestages sandte daher am 22.12.2004 die Petition "Obrigkeitsstaat durch Einführung der Informationsfreiheit überwinden" an den Bundeskanzler Schröder zur Ausführung des Beschlusses.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte: International 2

Zugang zu amtlichen Dokumenten in Verfassungen im Ostseeraum 3

Vergleich zwischen Deutschland und der Welt 3

Zivilpakt zu Zugang zu amtlichen Dokumenten 5

Europarat zum Zugang zu amtlichen Dokumenten 5

Internationale Gerichte 5

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 6

Übernahme internationaler Verträge 6

Zivilgesellschaft 6

Bemühungen in Deutschland 7

Gesetze in Deutschland 7

Gerichtsentscheidungen 8

Verfahren Keim gegen Deutschland 8

Verfassungsgericht zur EKMR 9

Warum ist es schwierig das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten in Deutschland durchzusetzen? 9

Informationsfreiheit Art. 5 GG 10

Akteure Informationszugang 10

Verabschiedung von IFG 11

Warum ist Deutschland Schlusslicht? 11

Menschenrechtskommissar 11

Elektronische Antragstellung in Norwegen 11

Was tun? 12

Wann folgen diese 5 Bundesländer? 12



Geschichte: International

Die Idee der Verwaltungstransparenz blickt auf eine mehr als 250 jährige Geschichte zurück:

Mit Schweden (1766) und Finnland (1950) hat der Ostseeraum weltweite Pioniere unter sich. Aber auch andere Staaten sind diesem Weg gefolgt. Litauen (1992), Estland (1992), Russland (1993), Polen (2001) und Norwegen (2004) haben ebenfalls Bestimmungen in ihren Verfassungen über Verwaltungstransparenz. In Deutschland ist das Bundesland Brandenburg Pionier mit der Verfassung von 1992, die die Verwaltungstransparenz enthält. Andere europäische Staaten mit Informationszugang in Verfassungen sind: Portugal, Spanien, Belgien, Niederland, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien, FYR Mazedonien und Albanien.



Zugang zu amtlichen Dokumenten in Verfassungen im Ostseeraum




Informationszugangsgesetze im Ostseeraum


Auch Staaten ohne Verankerung des Informationszugangs in Verfassungen haben Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet: Norwegen (1970), Dänemark (1985), Island (1996), Lettland (1998) und Deutschland (2005). Die „Right to Information Rating“ Skala sagt, wie gut Informationszugangsgesetze internationalen Standards folgen.



Vergleich zwischen Deutschland und der Welt

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.

Ein Vergleich zwischen Deutschland und der Situation weltweit ergibt folgendes Bild:

Deutschland ist zweifellos das Land das den Forderungen des 1. OSTSEE-NGO FORUMs aus dem Jahr 2001 am wenigsten gefolgt ist.

Deutschland hat lediglich 4 von 20 Empfehlungen des Europarats "umgesetzt oder zufriedenstellend abgearbeitet", heißt es in dem Report Greco RC-III (2011) 9E vom 9.12.2011 der GRECO Experten des Europarates. Bis 30.6.2012 ist ein Bericht vorzulegen.

Vor diesem Hintergrund sollte Deutschland um zum Ostseeraum, Europa der OECD, G20 und den BRICS-Staaten aufzuschließen, Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern verabschieden, das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes verbessern, Nebentätigkeiten der Abgeordneten transparenter machen und die Konventionen gegen Korruption des Europarates und der Vereinten Nationen ratifizieren sowie die Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern. Die NIS (National Integrety System) Forderungen 2, 3, 4, 8, 34, 35 und 52 ff. für eine integere Republik von Transparency Deutschland nennen dieses Verbesserungspotenzial.

Abgeordnetenwatch und Direkt zur Kanzlerin bietet die Möglichkeit folgende Fragen zu stellen:

Wann wird Deutschland das Informationsgesetz im Bund mit Hilfe internationaler Standards verbessern, die Antikorruptionsvereinbarungen ratifizieren, die Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern und Informationsfreiheitsgesetze in Hessen, Bayern, Niedersachsen und Sachsen verabschieden, um zu Europa, der OECD, der WTO und den BRICS-Staaten aufzuschließen?
Der CDU Fraktionsvorsitzende und Kanzlerin Merkel geben grundsätzlich keine Antwort. Der Fraktionsvorsitzende der SPD gab eine positive Antwort, die Anpassung der Abgeordnetenbestechung beschossen zu haben um die Konventionen gegen Korruption ratifizieren zu können. Der FDP Fraktionsvorsitzende gab die Frage an den Staatssekretär der Justiz weiter. Die Grünen antworteten bisher nicht. Die Linke weist auf eigene Initiativen hin. Direkt zur Kanzlerin antwortet: „Das IFG macht es einfacher, amtliche Akten einzusehen.“ Zur Ratifizierung der Übereinkommen gegen Korruption „wäre es nötig, den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung zu erweitern. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll aus der Mitte des Deutschen Bundestages vorgelegt werden. Wann das der Fall ist, lässt sich noch nicht absehen.“ Es wird auf den Bürgerdialog über Deutschland hingewiesen, der diese Fragen zensierte, da sie „gegen die Regeln des Bürgerdialogs verstoßen.“
Wo bleibt der Einsatz der deutschen Presse für den Informationszugang? Sowohl die norwegische (http://offentlighet.no) als auch die schweizer Presse (www.oeffentlichkeitsgesetz.ch) unterhält "Kampfplattformen" für die Unterstützung von IFG (dort Öffentlichkeitsgesetze genannt).
Da die Presse leider fast gar nichts darüber berichtet, habe ich am 22.2.2012 selbst in der Neuen Rheinischen Zeitung darüber geschrieben.


Zivilpakt und OSZE zu Zugang zu amtlichen Dokumenten

Artikel 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) enthält das Recht „sich Informationen zu beschaffen“.

Der „General Comment No. 34 Art. 19 ICCPR“ (IPbpR) präzisiert dies am 12.9.2011 so:

"18. Article 19, paragraph 2 embraces a general right of access to information held by public bodies. Such information includes all records held by a public body, regardless of the form in which the information is stored, its source and the date of production."

Deutschland versuchte beim Menschenrechtskomitee zu erreichen, dass dieser Paragraph gestrichen wird. Dabei wurde im wesentlichen damit argumentiert, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Informationszugang nicht als Grundrecht anerkennt.

Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis auf OSZE, Zivilpakt und EGMR. Außerdem wird festgestellt, dass der Informationszugang eine Voraussetzung für alle demokratische Gesellschaften ist. (siehe COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: "International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies.").



Europarat zum Zugang zu amtlichen Dokumenten

1950 wurde die Europäische Konvention für Menschenrechte (EKMR) verabschiedet. Artikel 10 behandelt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit.

Die parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) verabschiedete 1979 die Empfehlung 854: „Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und Informationsfreiheit“.

Der Ministerausschusses des Europarat hat 1981 mit der Empfehlung Nr. R (81) 19 seinen Mitgliedern empfohlen Informationsfreiheitsgesetze zu verabschieden.

Der Europarat beschloss 2002 die Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten.

In den Jahren 2006-2009 beginnt der EGMR Zugang zu amtlichen Dokumenten anzuerkennen.

2007 wurde eine bindende Konvention über den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung verabschiedet. Deutschland ist nicht beigetreten.

"Recommendation CM/Rec(2012)3 of the Committee of Ministers to member States on the protection of human rights with regard to search engines“: Über Menschenrecht Informationszugang und private Daten.



Internationale Gerichte

Gerichte in Japan, Indien und Südkorea anerkannten den Zugang zu amtlichen Dokumenten als Voraussetzung für die Meinungsfreiheit. Der IACHR und EGMR anerkannten den Zugang zu amtlichen Dokumenten als Menschenrecht für Nord- und Südamerika und Europa.



Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hat in einigen neueren Entscheidungen den Informationszugang als Menschenrecht gemäß Art. 10 der EKMR anerkannt.

In EGMR 19. 2. 1998, 1998-I, 210 – Guerra ua./Italien hat der EGMR bei Umweltinformationen mit Hinweis auf Artikel 8 EKMR Zugangsrechte feststellt. Beim generellen Informationszugang hat er sich schwerer getan. Jedoch haben Presse, NGOs, „watchdogs“ sowie ein Verfasser, der ein historisches Buch schrieb, haben das Recht auf Information bekommen.



Übernahme internationaler Verträge

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist ein international anerkannte Menschenrecht gemäß Artikels 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt, BGBl. 1973 II S. 1534) und Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685) geschützt, der nach Art. 59 (2) GG in ein Bundesgesetz transformiert wurden.

Der deutsche Rechtsanwender ist über Art. 20 Abs. 3 GG („die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden“) an die transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden. Aus der Vorschrift folgt auch die Pflicht, sich mit Inhalt und Auslegung dieser Vorschriften vertraut zu machen. Gemäß Art. 19 Abs. 4 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies gilt nicht nur für Verletzungen der Grundrechte, sondern für alle in der deutschen Rechtsordnung geschützten Rechte. Somit erfasst die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auch Fälle, in denen der Staat unmittelbar wirksame internationale Menschenrechtsnormen verletzt, die gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind.

Artikel 46 (1) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR) lautet: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen."



Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen, speziell im Bund.

Die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit (DGIF), Aktionsbündnis Informationsfreiheit für Bayern, Transparency, Greenpeace, HU, netzwerk recherche und Mehr Demokratie haben sich für Informationsfreiheit eingesetzt.

Nachdem die Rot-Grüne Koalition von 1998 bis 2004 den versprochenen Entwurf eines IFG nicht im Bundestag einbrachten, hat die Zivilgesellschaft einen eigenen Entwurf vorgestellt.

In einem Akt „zivilgesellschaftlicher Notwehr“ wurde 2011 ein bürgerfreundliches IFG für den Bund vorgestellt, das die Einsicht stärkt und weniger Ausnahmebestimmungen enthält.

Das Internet hat den Zugang zu Informationen und Mitwirkungsmöglichkeiten revolutioniert.

Aus der Internet Szene sind folgende Organisationen zu nennen:

Open Knowledge: Wissen ist dann offen, wenn keine technischen oder rechtlichen Einschränkungen bestehen, welche Schaffung, Nutzung, Weiterverarbeitung und Weiterverbreitung von Wissen durch jedermann für jegliche Zwecke behindern.

Open Government bezweckt eine verbesserte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am Handeln von Politik und Verwaltung „auf Augenhöhe“ und umfasst die Dimensionen Transparenz, Partizipation, Korruptionsbekämpfung und Rechenschaftslegung.

Open Government 2.0 Netzwerk Deutschland (www.gov20.de) beruht auf Open Data, Partizipation und Zusammenarbeit. „Unsere Vision ist eine offene Verwaltung. Wir glauben, Transparenz und Offenheit sind elementare Bestandteile vom Verwalten und Regieren der Zukunft.“

Die eGovernment Strategie des Open-Government-/ Open-Data-Angebots der Bundesregierung (www.daten-deutschland.de) bewegt sich innerhalb der Grenzen gegenwärtiger Gesetze.

Die Piratenpartei hat als zentrales Anliegen Transparenz und ist eine der konsequentesten Kämpfer für den Informationszugang geworden.



Bemühungen in Deutschland

Auch in Deutschland gab es umfangreiche Bemühungen, die sich allerdings nicht in Gesetzesverabschiedungen manifestierten:



Gesetze in Deutschland

Allgemeine Akteneinsichtgesetze waren schwer durchzusetzen.

Sowohl bei den Vereinten Nationen als auch beim Europarat bahnte der Zugang zu Umweltakten den Weg zum allgemeinen Informationszugang. Deshalb wurde am 27. Februar 2004 der EU Kommission vorgeschlagen eine Direktive über IFG in Mitgliedsländern zu schreiben. Am 23. März 2004 antwortete die Kommission dazu keine Möglichkeit zu haben und wies auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hin.



Gerichtsentscheidungen

4 Gerichtsentscheidungen zum EGMR und Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung:

Obwohl das EGMR einem sich selber verteidigenden Angeklagten Akteneinsicht zusteht hat das LG Mainz das verweigert, da der Gesetzgeber gebunden sei, nicht das Gericht. Daraufhin wurde das Strafgesetz um die Bestimmung erweitert, das ein Angeklagter Kopien verlangen kann. Akteneinsichtanträge werden weiterhin mit Hinweis auf Abs. 1 des § 147 StPO oder Abs. 3 § 406e StPO (Rechtsanwalt notwendig) abgelehnt, auf die Möglichkeit Kopien zu erlangen (Abs. 7 des § 147 StPO) wird nicht hingewiesen. Das zeigt, dass Information Macht ist und dass das „Recht auf gute Verwaltung“ fehlt.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte im Dezember 2002 das Wirtschaftsministerium des Landes Schleswig-Holstein vergebens um Auskunft über Beanstandungen bei Füllmengenkontrollen gebeten. In vielen Fällen war unkorrekte Abfüllpraxis der Unternehmen festgestellt worden: Viele Verpackungen hatten deutlich weniger Inhalt als angegeben. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein schützt "Gesetzesverstöße als Betriebsgeheimnis". "Unternehmensinteressen haben Vorrang vor Verbraucherschutz". Wo bleiben der Schutz des Eigentums der Verbraucher und der ehrlichen Produzenten?

Die Bundesverwaltung versuchte vergeblich mit dem Begriff Regierungshandeln die ohnehin bescheidenen Einsichtsrechte noch weiter zu beschneiden.



Verfahren Keim gegen Deutschland

Wird der Gesetzesrang der Menschenrechtskonventionen in der Praxis respektiert? Rechtssachen Keim gegen Deutschland zeigen, dass das nicht der Fall ist. Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung war in den Verfahren 1 BvR 1057/02 und VG 2 A 85.04 Gegenstand des Verfahrens. Dabei wurde der IPbpR nicht als Anspruchsgrundlage anerkannt. Der Streitwert von € 12000.- war ungewöhnlich abschreckend hoch. Die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 1981/05 und 1 BvR 2565/05 wurden nicht zur Behandlung angenommen.

Bezüglich der Veröffentlichung der Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Bundestages wurden folgende Verfahren geführt, VG 2 A 55.07, 1 BvR 238/09, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 46953/09, Nebenintervention: 2 BvR 1033/07, EGMR 31583/07. Das Verwaltungsgericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit das Anliegen unterstützte.

Deutsche Richter werden von der Exekutive angestellt, befördert und unterliegen ihrer Dienstaufsicht und mangeln deshalb die Unabhängigkeit, die nötig ist um ein faires Verfahren gegen die Exekutive zu garantieren. Deshalb wurde das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht übersprungen. Aber der Europäische Gerichtshof konnte in den Verfahren Keim ./. Deutschland EGMR Appl. No. 41126/05, Keim (II) ./. Deutschland EGMR 46953/09 und Keim (III) ./. Deutschland EGMR 31583/07 nicht überzeugt werden, dass die fehlende Behandlung beim Oberverwaltungsgericht ohne Einfluss auf das Ergebnis war.

Der EGMR „hat festgestellt, dass der innerstaatliche Rechtsweg nicht gemäß den Erfordernissen des Artikels 35 Abs. 1 der Konvention erschöpft worden ist.“

Gemäß Zivilpakt sind auch individueller Klagen an das Menschenrechtskomitee möglich.

Am 18.4.2002 und 7.7.2002 wurden über zahlreiche Verweigerung der Akteneinsicht geklagt. Es wurde darauf hingewiesen, dass das aufgrund fehlender Informationsfreiheitsgesetze geschah.

Die Antwort vom 3.6.2002 („Domestic juridical/administrative remedies do not appear to have been exhausted“) und 8.5.2003 lautete, dass der „Menschenrechtsausschuss nur Mitteilungen prüfen (kann ...), die alle innerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft haben“. Außerdem kann das Fehlen von Informationsfreiheitsgesetzen nicht im Wege der individuellen Klage behandelt werden.

Am 20.11.2005 wurden deshalb die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1057/02, Verwaltungsklage VG 2 A 85.04 und Verfassungsbeschwerden 1 BvR 1981/05, 1 BvR 2565/05 nachgereicht.

Diese Ergänzung der Klage blieb ohne Antwort.



Verfassungsgericht zur EKMR

Das Verfassungsgericht hat im Verfahren BVerfG 2BvR 1481/04 vom 14.10.2004 das Verhältnis zur Europäischen Konvention für Menschenrechts (EKMR) so beschrieben: "Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen."



Warum ist es schwierig das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten in Deutschland durchzusetzen?

Gemäß Artikel 46 des EKMR ist Deutschland an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebunden. Warum ist es trotzdem schwierig den Informationszugang juristisch durchzusetzen?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 2 BvR 1481/04 bestätigt dass der EKMR Gesetzesrang hat und konkretisiert dass Abweichungen von EKMR mit Verletzung von Grundrechten begründet werden müssen.

Doch in der Praxis wird die Entscheidung des BVerG ignoriert :

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Gerichte vom Verwaltungsgericht bis zum Bundesgerichtshof Zivilpakt und EKMR ignorieren können, da das Verfassungsgericht Beschwerden, die auf Gesetzesrang beruhen nicht behandeln muss.



Informationsfreiheit Art. 5 GG

Der Zusammenhang zwischen Rezipientenfreiheit und dem Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung sieht so aus:

Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht , Berlin 2004, S. 216 ff beschreibt das so:

Das IFG aktiviert - um eine Begriffsbildung von Rossi zu verwenden - das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG der Informationsfreiheit. Der Gesetzgeber erklärt nunmehr für gewisse Informationen, nämlich solche, die nach dem IFG zugänglich sind, dass diese im Sinne des Art. 5 Abs, 1 Satz 1 GG "allgemein zugänglich" seinen. ( Mecklenburg/Pöppelmann, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, S. 17ff).

In Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit im Wandel einer Seminararbeit 2006 wird formuliert:„Das IFG bedeutet die Abkehr vom alten und morschen Grundsatz des allg. Amtsgeheimnisses, das in Zeiten von Volksherrschaft und Informationsgesellschaft einen krassen Anachronismus darstellte. Die Informations(zugangs)freiheit ist die Grundlage der demokratischen Meinungsbildung und das notwendige Gegenstück zur Meinungsfreiheit sowie zum Datenschutz."



Akteure Informationszugang

In den vergangenen 10 Jahren wurden verschiedene Organisationen und Akteure kontaktiert:



Verabschiedung von IFG

Die Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen ist schwierig:

Die Problemlösung kann so aussehen: In Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, im Bund, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben schon 6 Mal Parlamente die Initiative ergriffen und selber Gesetzentwürfe eingebracht.



Warum ist Deutschland Schlusslicht?

75 % der Weltbevölkerung haben bessere Informationszugangsgesetze als Deutschland. Welche Aufgaben haben folgende Akteure und wie verhalten sie sich?



Menschenrechtskommissar

Bericht vom 11.7.07 über Deutschland macht u. a. folgende Vorschläge:



Elektronische Antragstellung in Norwegen

Anfragen nach dem norwegischen Gesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung wurden wesentlich vereinfacht

Diese Vereinfachung für Antragssteller und Verwaltung trägt Früchte: ca. 3385 Anfragen pro 100 000 Einwohner pro Jahr.

In Deutschland werden weniger als 2 Anfragen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bearbeitet.

In Schweden die Antwort mit den gewünschten Dokumenten sollte innerhalb 24 Stunden gegeben werden. Norwegen operiert mit 1 bis 3 Tagen. Nach 5 Arbeitstagen kann geklagt werden.

In Deutschland müssen Behörden innerhalb von 4 Wochen antworten. Für die Behandlung der Klage besteht keine Frist und der Beauftragte für Informationsfreiheit wartet möglicherweise mehr als ein Jahr bevor sein Vermittlungsvorschlag beantwortet wird.



Was tun?

Was können Bürger und NGOs tun? Bisher wurde von mir folgendes gemacht:

Geplant ist folgendes:



Entwicklung 2000 – 2012 im Ostseeraum



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Wann folgen diese 5 Bundesländer?

Warum sollten diese Bundesländer das tun? Jedenfalls schrieb die EU Kommission am 8.5.2002 mir, sicher zu sein, dass Deutschland seinen Partnern folgen wird.