Empfehlung Nr. 854 (1979)
der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die Informationsfreiheit

Die Versammlung

  1. bekräftigt ihren Glauben an die parlamentarische
    Demokratie;
     
  2. ist überzeugt, dass die parlamentarische Demokratie
    nur angemessen funktionieren kann, wenn die
    Bürger und ihre gewählten Vertreter vollständig
    informiert werden;
     
  3. ist der Auffassung, daß das öffentliche Leben in
    der heutigen Gesellschaft so komplex und technisch
    geworden ist, daß die Regierungsstellen und
    -behörden häufig Informationen erstellen und
    besitzen, die aus anderen Quellen nicht zu erhalten
    sind;
     
  4. hält es infolgedessen für wünschenswert, daß die
    Öffentlichkeit vorbehaltlich einiger unvermeidlicher
    Ausnahmen Zugang zu den Regierungsunterlagen hat;
     
  5. ist der Auffassung, daß diese Informationsfreiheit
    ebenfalls eine geeignete Kontrolle für Korruption
    und die Verschwendung öffentlicher Mittel darstellt;
     
  6. ist der Auffassung, daß die Steuerzahler, d. h. die
    Öffentlichkeit im allgemeinen, die öffentlichen
    Mittel aufbringen und daß sie deshalb in der
    Lage sein müßten, herauszufinden, wie diese
    Öffentlichen Mittel in den Regierungsbehörden und
    -stellen verwendet oder verschwendet
    werden;
     
  7. ist der Auffassung, daß jeder Zugang zu den
    ihn. betreffenden Aufzeichnungen und das Recht
    haben' sollte, falsche Angaben zu seiner Person
    korrigieren zu lassen, wobei diese persönlichen
    Informationen an andere nicht preisgegeben oder
    verteilt werden dürften, da dies eine ungerechtfertigte
    Verletzung des Privatlebens darstellen würde;
     
  8. ist der Auffassung. daß dieses Recht auf Zugang
    zu den eigenen Daten vom Europarat bereits in
    den Ministerkomitee-Entschließungen (73) 22
    und 4 (74) 29 über elektronische Datenbanken
    anerkannt worden ist;
     
  9. ist der Auffassung, daß es nunmehr an der Zeit
    ist, diesen Grundsatz im Hinblick auf alle Daten,
    ob sie nun elektronisch oder von Hand erstellt
    sind, anzuerkennen; 
  1. ist der Auffassung, daß der Europarat selbst ein Beispiel
    für den offenen Zugang zu Informationen setzen sollte;
     
  2. vermerkt. daß die Informationsfreiheit in
    Schweden seit mehr als zwei Jahrhunderten erfolgreich
    praktiziert wird und daß andere Mitgliedstaaten
    des Europarats kürzlich dem schwedischen
    Beispiel gefolgt sind;
     
  3. weist darauf hin, daß das Gesetz über die
    Informationsfreiheit (Freedom of Information Act)
    und das Gesetz vom Jahre 1974 über den Schutz
    des Privatlebens (Privacy Act) in Bezug auf die
    Handhabung von Unterlagen durch Bundesbehörden
    in den Vereinigten Staaten mit Erfolg
    verwirklicht worden sind;
     
  4. empfiehlt dem Ministerkomitee:

    a) die Regierungen der Mitgliedstaaten, die dies
    noch nicht getan haben, aufzufordern, ein System
    der Informationsfreiheit, d. h. des Zugangs zu
    Regierungsakten einzuführen, in dem das Recht, von
    den Regierungsbehörden und -stellen Informationen
    zu verlangen und zu erhalten, das Recht auf Einsichtnahme
    und Korrektur persönlicher Akten, das Recht auf
    eine Privatsphäre und das Recht auf schnelle Maßnahmen
    vor den Gerichten in diesen Angelegenheiten enthalten ist;
    b) den Sachverständigenausschuß für Behörden
    und Zugang zu Informationen oder jeden anderen
    Sachverständigenausschuss zu beauftragen,
    eine vollständige Studie zu Regierungsakten zu erstellen;
    c) seine Entscheidung vom Jahre 1976 zu verwirklichen
    und in die Europäische Menschenrechtskonvention
    eine Bestimmung über das Recht auf
    Informationsrecherche einzufügen;
    d) zu prüfen, ob und in welchem Umfang Doku-
    mente über die Aktivitäten der zwischenstaatlichen
    Zusammenarbeit innerhalb des Europarates der
    Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können;
    e) die Texte der Entschließungen, die es annimmt,
    regelmäßig und in leicht zugänglicher Form
    zu veröffentlichen;
    f) die Öffentlichkeit, wann immer dies möglich
    und angemessen ist, über Konventions- und
    Entschließungsentwürfe zu unterrichten, ehe
    sie von den entsprechenden Organen, die
    dem Ministerkomitee unterstellt sind, endgültig
    fertig gestellt und/oder verkündet werden.

 

Quelle: Drucksache des Deutschen Bundestages 15.3.1979 Seite 20/21 BT-Drs. 8/2675

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