Betreff: Herausforderungen für die Presse bei Informationsfreiheit 2013
Von: Walter Keim
Datum: 29/12/2012 09:53
An: "sorge@cicero.de IFG" <sorge@cicero.de>

Sehr geehrte Frau Sorge,

ich danke Ihren für den gründlichen, gut recherchierten Artikel "Informationsfreiheit: Stiefkind des Verwaltungsalltags" mit u. a. Kommentaren zum neuen Thüringer IFG und Stuttgart 21. Mehr solche Presseartikel würden die Lage von Transparenz und Informationsfreiheit verbessern.

Deutschland sollte, um zu Europa, der OECD, G20 und den BRICS-Staaten aufzuschließen, Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern verabschieden, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes verbessern, Nebentätigkeiten der Abgeordneten transparenter machen und die Konventionen gegen Korruption des Europarates und der Vereinten Nationen ratifizieren sowie die Transparenz der Parteienfinanzierung verbessern (Siehe NIS (National Integrety System) Forderungen 2, 3, 4, 8, 34, 35 und 52 ff. für eine integere Republik von Transparency Deutschland) (1). Der Beitritt zur Open Government Partnership kann helfen das zu verwirklichen.

Verbesserungsmöglichkeiten bei Informationsfreiheit, Transparenz und Antikorruptionsregeln sind enorm:
  1. 84 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.
  2. Mehr als 130 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. In 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland fehlen generelle (über Verbraucherinformation und Umweltinformation hinausgehende) Informationsfreiheitsgesetze.
  3. Die UN Konvention gegen Korruption ist zwar in mehr als 165 Staaten (Stand 24.12.2012) mit mehr als 6,6 Milliarden Einwohnern ratifiziert d. h. 94% der Weltbevölkerung, nicht aber von Deutschland.
  4. Der Vorschlag der Staatengruppe gegen Korruption GRECO des Europarates das Strafrechtsübereinkommen über Korruption SEV-Nr. : 173 und Zusatzprotokoll zu ratifizieren und die Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland mit Hinweis auf Recommendation Rec(2003)4 zu verbessern wurde abgelehnt. GRECO leitete deshalb im Herbst 2012 die zweite Stufe des „Non-Compliance-Verfahrens“ gegen Deutschland ein.
  5. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das weder die UN Konvention noch das Strafrechtsübereinkommen gegen Korruption ratifiziert hat.
Ich habe die Verantwortlichen mit diesen Fakten konfrontiert:
  1. Fraktionsvorsitzende mit Abgeordnetenwatch (2), speziell die CDU (3) und CSU.
  2. Parlamente mit Petitionen (4)
  3. Experten die IFG Gesetze evaluieren (5)
  4. Die Presse, der größte Versager, der es versäumt darüber angemessen zu informieren (6)
  5. Akteneinsichtsanträge bei Verwaltungen (7) u. a. Stuttgart 21
  6. Verwaltungsgerichte, Verfassungsgericht (8) mit Verfahren Keim gegen Deutschland (und am VG München Keim gegen Bayern) in denen das Menschenrecht des Informationszugangs gefordert wird
  7. Warum nimmt Deutschland nicht an der Open Government Partnership teil (9), das gute Informationsfreiheitsgesetze voraussetzt (10).
Regierungsfraktionen im Bund und 5 Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetze antworteten entweder nicht oder hielten Informationsfreiheitsgesetze und die Ratifizierung der Konventionen gegen Korruption nicht für notwendig. Petitionen im Bund und 5 Bundesländern ohne IFG schufen keine Abhilfe. Bedauerlicherweise ist also fast alles ignoriert worden, außer dass die Rechtsexperten bei der Anhörung zum IFG des Bundes erstmals erwähnten, dass der Zugang zu öffentlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist. Im Bund unterstützen nur die Oppositionsparteien Verbesserungen und natürlich die Piratenpartei.

Dieses Verbesserungspotential könnte nicht ignoriert werden, wenn die Presse die Wähler informieren und das verstärkt aufgreifen würde. Akteneinsicht ist durch lange Wartezeit, Kosten und viele Ausnahmen begrenzt. Bei Stuttgart 21 blieben mehr als 20 Anträge auf Informationszugang als Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr um ein bisschen Demokratie bei Stuttgart21 zu verwirklichen überwiegend erfolglos. Aber nicht nur Bürgern wird der Informationszugang verwehrt: Die Grünen kündigen an die Herausgabe der Angaben über Wirtschaftlichkeit notfalls über eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erzwingen „Es ist eine Unverschämtheit, dass Parlamentarier über Steuergelder in Milliardenhöhe entscheiden, ohne entsprechende Daten zu haben“.

International wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten als Menschenrecht gemäß Internationalem Pakte über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und Voraussetzung für Demokratie angesehen. Trotzdem ignorieren Gerichte den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs.

"(W)ir (sind) an der Schwelle zu einem neuerlichen Entwicklungssprung in der Verwaltung – getrieben durch Veränderungen, die für die Bürger und Unternehmen längst normal sind. Diese Veränderungsbewegung nennt man Offene Verwaltung oder Open Government" (10). Allerdings werden Vorschläge internationalen Entwicklungen (11) bei Informationsfreiheitsgesetzen und Open Government Partnership (9) von der Bundesregierung abgelehnt.

Aus internationaler Perspektive sind die CDU/CSU und die Presse die Hauptverantwortlichen. Die CDU/CSU vertritt nicht die Interessen ihrer Wähler sondern ist das trojanischen Pferd der Bürokratie unter den Volksvertretern Parlament. Die Presse vernachlässigt ihre Aufgabe ihre Leser über die Arbeit der Verwaltung und das Menschenrecht des Informationszugangs zu informieren und dadurch die Wahl besserer Volksvertreter zu fördern.

Im April 2012 hat das X. Ostsee NGO Forums mich eingeladen den Vortrag Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang (12) zu halten in dem vorgeschlagen wird, das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten in Bayern mit Hilfe einer Verpflichtungsklage durchzusetzen, Parallelberichte an das UN Menschenrechtskomitee zu verfassen und an der Universellen Periodischen Überprüfung durch die UN teilzunehmen. FOIAnet, OSZE und der UN Special Rapporteur wurden gefragt das zu unterstützen.

Die Neue Rheinische Zeitung wurde ihrem Anspruch gerecht "Meldungen, die Sie in den übl(ich)en Medien eher nicht finden" zu verbreiten und veröffentlichte meine eigenen Beiträge:
Ich hoffe Sie bleiben am Ball.

Viele Grüße aus Norwegen
--
--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
UN Universal Periodic Review (UPR):
http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information
in Germany by Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U
Is it possible to enforce access to information in Bavaria?
http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html

Anlagen:
  1. Wer wird Transparenz unterstützen?: http://wkeim.bplaced.net/if-ngo.htm
  2. Fragen mit Hilfe von Abgeordnetenwatch: http://wkeim.bplaced.net/files/120215fragen.html
  3. CDU ist das trojanisches Pferd der Bürokratie im Parlament: http://wkeim.bplaced.net/files/120709bt.html
  4. Petitionen: http://wkeim.bplaced.net/petitionen-if.htm
  5. Wie wissenschaftlich ist die Rechtswissenschaft: http://wkeim.bplaced.net/files/120617foev.htm
  6. Presse versäumt ihre Aufgaben: http://wkeim.bplaced.net/files/120727pr.html
  7. Anträge auf Akteneinsicht: http://wkeim.bplaced.net/files/fg-material.htm#akteneinsicht
  8. Rechtssachen: http://wkeim.bplaced.net/files/fg-material.htm#rechtsprechung
  9. https://fragdenstaat.de/anfrage/dokument-das-nichtteilnahme-an-opg-begrundet
  10. Anke Domscheit-Berg (12.10.2010): Einmaleins des Government 2.0 - http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/einmaleins-des-government-2-0
  11. Anke Domscheit-Berg im Österreichischen Parlament (12.10.2011): Internet und Demokratie – http://www.gov20.de/internet-demokratie-rede-domscheit-berg/
  12. Die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang: http://wkeim.bplaced.net/files/informationszugang-ostsee.html
Antwort:

Entwicklung:


[Informationsfreiheit]    [Menschenrechtsverletzungen in Deutschland]    [Patientenrechte in Europa]     [Petitionen]    [Homepage]