From: Walter Keim
To: Olaf Scholz
Sent: Monday, June 04, 2007 3:54 PM
Subject: Nebentätigkeiten, Abgeordnetenbestechung und UN Konvention gegen Korruption

Sehr geehrter Herr Scholz,

Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und Ihr Verständnis für eine Veröffentlichung der Nebentätigkeiten.

Ich sehe, dass Ihre Antwort vom 17.12.07 ist: http://www.abgeordnetenwatch.de/olaf_scholz-650-5706-4.html und möchte mich deshalb auf die neuere Entwicklung konzentrieren.

Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass die Rechte der Kläger berücksichtigt werden. Das rechtstaatlich angezeigte Mittel dafür ist jedoch die einstweilige Verfügung. Eine einstweilige Verfügung wurde nicht beantragt. Das Verfassungsgericht hat jedoch mitgeteilt, dass einer Veröffentlichung nichts im Wege steht. Dass der Bundestagspräsident auch noch auf das Urteil wartet obwohl aus der Presse klar ist, dass keine Mehrheit im Verfassungsgericht zu erwarten ist hat die Öffentlichkeit befremdet:

Rechtsbrecher im Reichstag: http://www.stern.de/blog/index.php?op=ViewArticle&articleId=1054&blogId=6

Abgeordnetenbestechung erlaubt in Deutschland:  "Was habt ihr zu verbergen?"
fragte kürzlich der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, die
deutschen Parlamentarier öffentlich, aber vergeblich.

Quelle: http://blog.focus.de/metzger/archives/235

Die Korruption von Parlamentariern ist in Deutschland praktisch straflos.
Das nötige Gesetz dagegen müssten die Abgeordneten selbst erlassen. Die aber
wollen von ihren unzeitgemäßen Privilegien nicht lassen. Sie können
praktisch von jedermann Geld oder andere Vergünstigungen entgegennehmen,
ohne den Staatsanwalt fürchten zu müssen. Das will eine UN-Konvention
ändern, die schon über 90 Staaten (sogar China) ratifiziert haben. Doch der Bundestag
sträubt sich gegen ihre Ratifikation.

Quelle: Über dem Gesetz - die politische Klasse:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,484232,00.html

 
Die mangelnde Veröffentlichung der Nebentätigkeiten wird auch im Zusammenhang mit dem Zögern die Abgeordnetenbestechung gemäß der UN Konvention gegen Korruption umzusetzen, gesehen. Die Erklärung katholischer Kardinäle und Bischöfe zum G8-Gipfel 2007 (Anlage 1) fordert zur Ratifizierung und Umsetzung der UN Konvention gegen Korruption auf. Auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen meint: "Wir in Deutschland schaffen es nicht einmal die Anti-Korruptions-Konvention der Uno zu unterzeichnen. Das ist beschämend." (Anlage 2).

Nachdem sich der Bundestagspräsident mir gegenüber geweigert hat zu veröffentlichen, habe ich jedenfalls das Verwaltungsgericht angerufen um eine Entscheidung herbeizuführen: http://wkeim.bplaced.net/files/vgb-nebentaetigkeiten.htm und plane auch an den EGMR zu klagen: http://wkeim.bplaced.net/files/egmr-klage.htm . Damit wird auch geprüft, wie die Interessen der Öffentlichkeit zu bewerten sind.

Ich möchte Sie bitten Ihre Unterstützung der weiteren Zurückhaltung der Nebentätigkeiten zu überdenken. Eine Veröffentlichung nur der nicht in Karlsruhe strittigen Angaben ist offensichtlich ungenügend.

Außerdem haben ja die Grünen alle Parteien eingeladen ein Gesetz über Abgeordnetenbestechung auszuarbeiten: http://www.gruene-bundestag.de/cms/innen_recht/dok/184/184263.htm

Mit freundlichen Grüßen,

--
Walter Keim
Keim v. Germany: Appl. No. 41126/05 ECHR: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm
8 German states violate the human right og freedom of information: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-result.htm
Promotion of Freedom of Information for Germany: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm, http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm,
http://wkeim.bplaced.net/files/ihf-060824.htm, http://wkeim.bplaced.net/files/pace-060213.html, http://wkeim.bplaced.net/files/eu-hra-070329.htm
Anlagen:



Olaf Scholz wrote:

Sehr geehrter Herr Keim,

vielen Dank für Ihre Email vom 4. Mai an die SPD-Bundestagsfraktion, die ich als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer gerne beantworte.

Ich verstehe Ihr Anliegen für eine Veröffentlichung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten und der Höhe der Einkünfte aus diesen Tätigkeiten sehr gut. Ich habe mich selbst in der letzten Legislaturperiode an der Erarbeitung eines Antrages von SPD und Grünen beteiligt, der die Offenlegung der Nebentätigkeiten und der Einkünfte ermöglicht. Viele meiner Vorschläge wurden für das daraufhin beschlossene Gesetz aufgegriffen.
Das Gesetz beinhaltet u.a. folgende Punkte:

Die Wahrnehmung des Mandats steht im Mittelpunkt der Abgeordnetentätigkeit, andere berufliche Tätigkeiten sind möglich.

Nebeneinkünfte ohne Gegenleistung sind verboten.

Alle Nebentätigkeiten und die daraus erzielten Einnahmen sind dem Bundestagspräsidenten zu melden.

Es wird eine Veröffentlichung der Nebentätigkeiten geben, die Nebeneinkünfte werden innerhalb mehrerer Stufen veröffentlicht (von 1.000 Euro bis 3.500 Euro/monatlich, bis 7.000 Euro/monatlich und über 7.000 Euro/monatlich).

Erstmals führt der Bundestag für den Fall von Verstößen ein Sanktionssystem ein, das bis zur Rückzahlung von unzulässig erhaltenen Einkünften und zu hohen Ordnungsgeldern führen kann.

Leider haben einige Abgeordnete gegen diese seit Beginn der Legislaturperiode endlich geltende Neuregelung geklagt. Deshalb hat der Präsident des Bundestages die aktuellen Tätigkeiten der Abgeordneten und ihre Nebeneinkünfte noch nicht veröffentlicht.
Er will damit bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Klage warten.
Allerdings haben die meisten Abgeordneten – wie ich auch - ihre Angaben gegenüber dem Präsidenten bereits gemacht. In der Bundestagsverwaltung liegen also alle Daten vor. Der Bundestagspräsident wartet mit der Veröffentlichung allerdings, bis das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Veröffentlichungspflicht bestätigt. (Davon gehe ich übrigens aus.)

Sollte das Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichungspflicht für rechtswidrig erklären, dürften keine Daten über die Höhe der Nebeneinkünfte veröffentlicht werden. Da eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte, falls der Bundestagspräsident dies bereits getan hätte, nicht rückgängig gemacht werden kann, weil alle Daten dann bereits bekannt sind, hätte ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts, des Bundesverfassungsgerichtes, keine Auswirkung mehr auf die aktuelle Veröffentlichungspflicht. Ich kann die Entscheidung des Bundestagspräsidenten daher nachvollziehen und habe aus diesem Grund im Ältestenrat des Deutschen Bundestages der Entscheidung von Bundestagspräsident Lammert zugestimmt.

Bundestagspräsident Lammert hat in der Zwischenzeit angekündigt, dass er noch vor der Sommerpause die Art der Nebentätigkeiten der Abgeordneten veröffentlichen wird. Die daraus erzielten Einkünfte wird er sicherlich umgehend nach einem Verfassungsgerichtsurteil veröffentlichen.

Im Übrigen ist es für die Wählerinnen und Wähler doch auch schon im Moment sehr einfach, etwas über die Einstellung ihres Abgeordneten zu dem Thema zu erfahren. Wie ich auch haben viele Abgeordnete Ihre Nebeneinkünfte bereits heute auf Ihrer Homepage offen gelegt. Jeder interessierte Wähler kann also auch heute schon nachlesen, ob seine Abgeordnete oder sein Abgeordneter seine Nebeneinkünfte veröffentlicht hat oder ob sie oder er erst auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz
 




 

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