Alexander Keim Haselbach, 10.3.68


Sehr geehrter Herr Pfarrer!


Gewiß werden Sie sich noch unser Gespräch erinnern. es handelt sieh vor allem um die Äußerung von Pfarrer Duncker.

Zunächst die Ursache meiner Frage an Herrn Duncker. Ich war Zahlmeister, glaubte an die Parolen des Dritten Reiches, genau so wie an die Lehren meiner Mutterkirche glaubte. So wenig wie die Mehrzahl der Taufscheininhaber die Lehre Christi in den Alltag tragen, so wenig befolgten die weissen Parteigenossen die berühmten 20 Punkte jenes Braunen.

Nun, seit meiner Jugend testete ich. Da damals der oberste Grundsatz Gemeinnutz vor Eigennutz war, machte ich die Probe aufs Exempel. Die Offiziere der Reichswehr der Weimarer Republik lehnte imierlich dieses System ab. Sie machten sich ein schönes Leben und holten die Gelder dazu auf erlaubte und auch unerlaubte Weise. Wenn nur die Form gewahrt blieb und wir Zahlmeister hatten die Aufgabe, die Rechnungen so abzufassen, daß der Rechnungshof nichts zu erinnern hatte.

Da aber die neu geschaffenen Kriegsgerichte wegen ganz geringfügiger Vergehen über Mannschaften und Unteroffiziere z.T. sehr strenge Strafen verhängten, fühlten wir Unteroffiziere uns provoziert, zum mindesten ich. Als ‚Zahlmeister hatte ich nun Gelegenheit den Offizieren auf die Finger zu klopfen, und ich tat es.

Im Februar 1938 wurde mein Bataillonskommandeur von seinen Chef (Regiment) beurlaubt. Zu den gleichen Tagen jedoch setzte der Btl. Kdr. eine Offiziersbesprechung ab. Kurz,und gut ich als Zahlmeister wurde gezwungen, einen Skiurlaub der Offiziere des Bataillons mit ihren Damen als Übung zu tarnen. Das war Betrug. und ich zeigte diesen Betrug an. Aber die Herren ließen die Sache versenden. Ich gab nicht nach, schöpfte alle Möglichkeiten aus und wurde schließlich als "unverbesserlichen Querulant", der eine Gefahr für seine Umgebung bedeutet und für die Wehrmacht untragbar ist, 1941 zum 28,.2.42 pensioniert. Da jedoch die Beamten bei ihrer Entlassung kein Zeugnis erhielten, ich mich als dienstunfähiger Beamter nicht mehr bei einer anderen Dienststelle einstellen lassen konnte, blieb mir als einfacher Arbeiter zu arbeiten. Das machten normalerweise nur Beamte, die ihre Eigenschaft als Reichsbeamte durch Gerichtsurteil verloren. Ich stand praktisch auf einer Stufe mit einem Zuchthäusler. Wenn ich den Tatbestand einem Unternehmer bei Stellungssuche vortrug, waren keine Stellen frei, obwohl jeder, such der Krüppel, gebraucht wurde.

Dies trug geh Herr Duncker vor, nicht so genau,doch immerhin kurz gerafft. Ich hielt ihm vor, er wußte, daß die Offiziere sich in Geldsachen gesetzwidrig benahmen. Die Mehrzahl praktizierte den Schwindel und die andern schwiegen dazu. Jeder Mensch ist moralisch verpflichtet, bei Vergehen oder Verbrechen (wenn schon er nicht eingreifen will) doch wenigstens zu sagen, das ist nicht recht. Als Ausrede erklärte Herr Duncker: Das ganze System war korrupt. Das war vor 20 Jahren. Dieser Ausspruch läßt mich nicht zur Ruhe kommen. Denn ist er richtig, dann ist die Umkehrung auch richtig, und diese lautet: Das gute System macht die Leute gut.

Und dies eben stimmt nicht: Nicht ein System macht die Menschen gut oder schlecht, sondern die Menschen machen ein System brauchbar oder unbrauchbar. Friedrich der Einzige von Preußen meinte einmal: Mit guten Beamten und schlechten Gesetzen läßt es sich immer noch regieren. Bei schlechten Beamten nützen die besten Gesetze nichts.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Mit freundlichen Grüßen!

Alexander Keim


[Alexander hat das Wort]