Alexander Maximilian Keim war mein Vater, geboren am 6.2.1904 als Sohn von Eugen ein Goldschmied und Theresia Keim. Er hatte 10 Geschwister. Wir hatten Kontakt mit Anna Odenwald, ihrer Tochter Anneliese Schulze und Regina Keim die beide in Baden-Baden wohnten. Sein jüngerer Bruder Alois besuchten uns in Haselbach und bestellte ein Dobbelzimmer im Waldrestaurant. Der Sohn seines ältesten Bruders Eugen Keim hieß Walter Keim verheiratet mit Lore Keim in Schwäbisch Gmünd, mit dem wir viel Kontakt hatten. Tante Klara wohnte auch in Schwäbisch Gmünd.
Seine Mutter hörte immer schlechter mit jedem Kind. Deshalb konnte sie nicht hören, was die Kinder sagten. Es wird erzählt, dass sie Besuchern ihre Kinder vorstellte und sie lobte wie brav die seine. Aber die machten einen Krach und sagten hinter ihrem Rücken: Hau ab du alte.
Als eine Tochter von Eugen Keim mit ihm die Rems entlang ging, sagte er ihr: Wenn du Anstand hättest würdest du in die Rems hüpfen. Sie antwortete kurzerhand: „Hopf doch du“.
Mein Vater scheint nie gelernt zu haben, vorsichtig zu sein mit dem was man sagt und Autoritäten nicht zu vergraulen. Zu mir hat er nie gesagt, halt's Maul ich bin dein Vater und bestimme. Deshalb habe ich nie verstanden mich zurückzuhalten und es natürlich gefunden, meine Meinung zu sagen. Dass die Gesellschaft da anders funktioniert habe ich nie verstanden und viel Leergeld gezahlt ohne mich jemals zu ändern.
Einmal leite mein Vater seine Taschenuhr an seinen Vater aus. Der sagte einfach, die gefällt mir und behielt sie. Als sein Vater starb ging er zu Tante Klara und wollte seine Taschenuhr zurück haben. Aber die war stur und behielt sie. Als ich so ungefähr 14 Jahre alt war und im Aufbaugymnasium in Schwäbisch Gmünd wohnte bekam ich die Taschenuhr. Als ich das meinem Vater erzählte sagte er dass das seine ist. Ich bot ihm an sie zu bekommen aber er wollte nicht.
Zur Konfirmation meiner Schwester wollte er alle Verwandten einladen, damit sie sie kennenlernt. Aber er sagte ab „weil er ein schlechter Mensch ist“. Das haben seine Tanten gar nicht verstanden und wollten ihn überreden doch die Konformation für alle abzuhalten. Wir waren dann in Strassdorf in der Wirtschaft, nur meine Schwester, Mutter und er.
Meine Freundin in den 70-ziger Jahren war auch Katholik. Ihre Mutter versuchte ihr die Antibabypille zu verbieten. Dabei Stützte sie sich auf die Enzyklika Humanae Vitae in der der Papst die Antibaby Pille verbietet. Dabei stützt er sich darauf, dass er als Stellvertreter Gottes auf Erden unfehlbar ist.
Ich schätzte es einen katholischen Vater zu haben und sagte ihm, dass meine Schwiegermutter Hilfe braucht in Sachen Antibabypille die moderne Zeit zu verstehen.
Beim nächsten Zusammensein am sonntäglichen Kaffeetisch sagte mein Vater folgendes:
Der Papst in Rom ist größenwahnsinnig, dass er sich anmaßt der Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein. Deshalb muss man nicht glauben, was er zur Antibabypille sagt. Außerdem erreicht man da nur, dass die Kinder hoffen, dass der Alte bald abkratzt und dann machen sie sowieso was sie wollen. Da erreicht man also gar nichts: Besser sein lassen.
Ob die Schwiegermutter daraufhin weiter versucht hat ihrer Tochter die Antibabypille auszureden weiß ich nicht: Sicher bin ich mir nur, dass es jedenfalls nichts genützt hat.
Mein Vater war einer der jüngsten und wurde von den älteren gehänselt. Tante Anna fragte mich besorgt, was für ein Vater aus ihm wurde. Ich antwortete, dass ich mir keinen besseren wünschen könnte, was sie erstaunte.
Mein Vater wuchs in Schramberg auf. Im ersten Weltkrieg hatte die Familie nicht viel zu essen und er hatte die englische Krankheit. Er begann Landwirtschaft zu studieren, aber seine Eltern schrieben ihm, dass sie ihn nicht unterstützen können. Deshalb ging er zur Reichswehr und wurde Oberzahlmeister. Er hielt sich an die Regeln und kam in Konklikt mit Generälen, die zu hohe Spesen verlangten. Er schrieb, dass sie eben die Regeln ändern müssen, er halte sich an sie. Zum Schluss stimmte er seiner Pensionierung zu. Tante Regina schrieb einen Brief an die Reichswehr in der sie ausdrückte den Eindruck zu haben, dass man ihn los haben wollte.
Im Winter fuhr er ins Allgäu ins Skifahren. Dazu musste er eine Erlaubnis einholen. Im Gesuch schrieb er, wenn er gewußt hätte, was das bedeutet, hätte er nicht eingewilligt. Er ging verschiedenen Beschäftigungen nach, z. B. Imker und Angestellter bei einem Flugzeughersteller.
In Leipheim lernte er eine Frau kennen mit der er 1946 die Tochter Reinhilde Koch bekam.
Er zog in den Rehnenhof und hatte eine Verabredung mit der Nachbarin meiner Mutter, die aus dem Saarland kam. Sie war verhindert und schlug vor, dass er mit meiner Mutter spazieren ging. Er half ihr in der Landwirtschaft. Als die Leute begannen darüber zu reden, heiratete er meine Mutter Maria Anna geborene Bohn vom Haselbach. Meine Mutter wusste nichts von seiner uneheligen Tochter und betonte, dass das ein Scheidungsgrund gewesen sei.
In Haselbach bewirtschaftete er als Bauer die kleine Landwirtschaft, die meine Mutter umtrieb und die einer Erbgemeinschaft ihres 1913 verstorbene Urgroßvaters Gottlieb Ellinger.
Im selben Haus wohnte auch Karl Bohn mit seiner Frau Ilse Bohn und den beiden Kindern Adelgunde (Gunda) und Karl-Gerhard.
Sein Vater Eugen und seine Mutter besuchten uns in Haselbach bevor er 1952 starb. Seine Mutter Theresia sprach immer mit Hochachtung von ihrem Sohn Alexander.
Als meine Schwester im Katharinenhospital in Schwäbisch Gmünd geboren wurde besuchten wir sie oft. Tante Anna war in Haselbach und führte den Haushalt.
Es gab Auseinandersetzungen und mein Vater entschloss sich ein Bauplätzle zu kaufen. Er hätte als Beamter einen Kredit bekommen und die Baupläne waren schon fertig. Er begann mit den Ausgrabungen des Kellers. Aber meine Mutter weigerte sich ihre Kühe zu verkaufen.
Deshalb zog er mit meiner jüngeren Schwester Dorothea und mir nach Schmiedsreute bei Wittelsbach im Allgäu. Er hatte bei einer Erkundungsfahrt im Moped einen Bekannten getroffen, den er von seinen Urlauben im Allgäu kannte.
Wir waren nur einige Monate dort und kamen nach Haselbach zurück und zogen in das Nachbarhaus, das meine Mutter gekauft und das Erdgeschoss im südlichen Teil renoviert hatte. Er baute das Haus um. Das Haus war im 17-zehnten Jahrhundert gebaut worden. Im Dachgeschoss waren Lehmwände und im hinteren Hausteil ein Stall.
Mein Vater war sehr fleißig. Er baute auch eine Stall für Ziegen und Hühner auf dem Bauplätzle. Auf diesem Grundstück war ein mehr als 5 Meter hoher Mühlendamm für die Haselmühle den er von Hand abtrug.
Er kaufte einen VW Käfer mit dem wir jeden Sonntag eine Wirtschaft besuchten um zu essen. Wir haben viele Ausflüge unternommen, zum Ulmer Münster, zum Federsee, Waldenburg, 60-ziger Sammlung meines Vaters in Schramberg und einem langen Ausflug die Donau von Ulm aufwärts nach Freiburg und Baden-Baden. Die erste Nacht übernachteten wir im Auto und Zelt. In einem Restaurant wurden wir nicht bedient, möglicherweise, weil wir nicht schön genug gekleidet waren.
Wir besuchten auch seine Tochter Reinhilde und ihre Mutter. Nachher fragte ich warum sie ihn Pappa nannte. Da antwortete er, das ist meine Tochter. Vorher hat er das nicht gesagt.
Er nahm viele verschiedene Beschäftigungen auf oft als Hilfsarbeiter. Einmal sagte er besser ausgebeutet zu werden als Ausbeuter sein.
Mein Vater hatte am Freitag einen Durchbruch des Blinddarm. Als er am Montag zum Arzt ging wurde er sofort ins Krankenhaus nach Welzheim überführt. Er schrieb darüber „Der Blinddarm und Du“. Als wir ihn besuchten erzählte er mir wie gefühllos und unmenschlich die Behandelnden im Krankenhaus sind. Er schrieb darüber in einem mehrseitigen Erfahrungsbericht „Der Blinddarm und Du“. Vom Wirt in Alfdorf erfuhr ich, dass er den VW in der Zeitung zum Verkauf angeboten hatte. Ich wusste davon gar nichts. So machte er das oft, dass er nicht informierte was er vor hat.
Als einer der Betroffenen der Reichswehr, dem er nicht die Spesen bezahlte, die der forderte aus Russland zurück kam, nahm er in den 50-Jahren einen Rechtsanwalt Ewalt Bucher aus Mutlangen um seine Entlassung aus der Reichswehr näher zu beleuchten. Bucher wollte ihn als Verfolgten des NS Regimes darstellen, Aber mein Vater meinte, dass das in jeder Bürokratie hätte geschehen können. Aber mehrere Archive schrieben, sie hätten keine Akten darüber. Da gab er auf und schrieb dem Anwalt, voller Selbstzweifel, dass er ein Schlechter Mensch sei. Der antwortete, dass er nicht diesen Eindruck hatte. Dies hat ihn sehr beschäftigt und ich hörte ihn laut darüber zu reden, als ob er einem Richter seine Version erklärte. Bucher wurde 1962 Justizminiter.
Als Tante Regina aus England zurückkam, schenkte sie mir eine Taschenlampe.
Sein Bruder Alois prahlte, dass einer seiner Söhne der Primus war.
Als ich 14 Jahre alt war meldete er mich ins Aufbaugymnasium an. Als er die grossen Schlafräume sah, wollte er mich am liebsten wieder heim holen, weil er meinte, das ist ja wie im Militär. Meine Noten kommentierte er dass ich ein befriedigender Sohn sei. Meine guten Noten in der Volksschule und beim Fachhochschule kommentierte er nicht.
Das Aufbaugymnasium überforderte mich und nachdem ich in der 5. Klasse des Aufbaugymnasiums durchgefallen war, verließ ich diese Schule und wurde Maschinenebaupraktikant bei der Deutschen Post. Das war die Vorbereitung für das Studium an der Ingenieurschule. Als ich in Berlin meine Studien weiterführte um Diplom Ingenieur zu werden, meinte er, dass ich 30 Jahre alt werde bevor ich arbeite.
Ich habe ein Bild von ihm in Passbildgrösse, auf dem er gut gelaunt aussieht. So habe ich ihn in Erinnerung die 15 Jahre bis zu seinem Tod.
Mein Vater war ein eifriger Leserbriefschreiber.
Nach dem Pflichtwehrdienst in der Bundeswehr meldete er mich 1970 an den Führerschein zu machen und kaufte mir einen neuen Simca 1000, den ich bis 1981 hatte. Er wurde in Berlin verschrottet, als ich mit meiner Mutter die Hinterlassenschaften meiner Schwester ordnete.
Er verstarb am 3.7.1975 an einer Thrombose in der Lunge. Er hatte seinem Arzt geschrieben, dass sich irdwas in seinem Blut zusammenbraut. Trotz einer gründlichen Untersuchung wurde die Thrombose nicht erkannt. Ich war sehr überrascht von seinem frühen Tod. Er klagte wenig über Beschwerden und ich dachte er lebt noch viele Jahre.
Er hinterließ ein Testament in dem er bestimmte, dass sein Körper in Tübingen den Studenten zur Obduktion zur Verfügung gestellt wurde. Wir schrieben og fragten, ob sie die Todesursache feststellen könnten. Aber die Antwort war, dass das nur die Polizei oder eine andere Behörde anordnen können. Er bestimmte auch, dass seine Asche aus dem Fenster zu werfen sei und schloss, dass er dann ruhig ruhen könne. Da das nach deutschem Recht verboten war respetierten wir dem Wunsch meiner Mutter ihn zu begraben. Beim Begräbnis waren nur der Totengräber, meine Schwester, Mutter und ich anwesend. Fühlte er , dass ihm das Leben übel mitgespielt hat und er deshalb einfach verschwinden wollte ohne eine Spur zu hinterlassen?
Er ist auf dem Friedhof in Alfdorf begraben, zusammen mit meiner Schwester, gestorben 1981 und meiner Mutter 2009.