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Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht. (Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft)

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 10.12. 2006 (Menschenrechtstag)

 Ministerpräsident                                                                    Landtagspräsident
 Prof. Dr. Wolfgang Böhmer                                                    Landtag Sachsen-Anhalt
 Hegelstraße 40 - 42                                                                Domplatz 6-9
 D-39104 Magdeburg                                                              D-39104 Magdeburg




Betreff: Wann wird die Regierung und die Mehrheit des Landtages in Sachsen-Anhalt die Gewähr dafür bieten sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen? 

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident und Landtagspräsident,  

ich beziehe mich auf den Beschluss des Landtages in der Petition das Aktenzeichen 4-I/563, der nicht abgeholfen wurde. Leider geht der Brief vom 18.1.06 nur auf das Verfahren zum Gesetzesvorschlag Drs. 4/1136 ein. Warum meiner Petition, die auf den Menschenrechtscharakter des Zugangs zu Informationen der öffentlichen Verwaltung aufbaut "nicht gefolgt werden kann" wird nicht erklärt. Dabei wird übersehen, dass Sachsen-Anhalt damit die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) verletzt. Der Nachbar Brandenburg hat ein Informationsfreiheitsgesetz. Zusätzlich ist dort das Recht auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in den Verfassungen garantiert. Ein entsprechender Vorschlag der Opposition wurde von der Landtagsmehrheit des Sachsen-Anhalts abgelehnt.

Deshalb wurde am 19.10.06 Akteneinsicht in die Stellungnahme des zuständigen Ministeriums beantragt. Der Petitionsausschuss teilt am 4.12.06 mit, dass "keine Stellungnahme (...) des zuständigen Ministerium eingeholt wurde". Da damit die Regel gebrochen wurde, dass der Petitionsausschuss die Petition der Landesregierung zusendet und aufgrund dieser Stellungnahme eine Antwort erarbeitet, sende ich die Petition vom 16.9.2005 als Anlage 1 selber der Regierung.

Die "Volksstimme" vom 13.5.2006 berichtet: "Berliner Journalist verklagt das Land Sachsen-Anhalt auf Herausgabe von Informationen: Uran im Mineralwasser? Ministerium hält Daten geheim", von Winfried Borchert (Anlage 2). Sowohl Baden-Württemberg als auch Nordrhein-Westfalen haben entsprechende Anfragen beantwortet. Eine Erhebung des Bundesinstituts für Risikoabschätzung ( BfR ) hat viele Proben gefunden, die mehr als 15 Mikrogram je Liter aufwiesen. Dabei geht es um die Suche nach Quellen, die bis zu 71 Mikrogramm je Liter Werte erreichen. Was hat Sachsen-Anhalt zu verbergen, dass beim Verwaltungsgericht Steuergelder verplempert werden, um gegen Bürgerrechte zu prozessieren? Der in der "Volksstimme" vom 13.5.2006 berichtete unverfrorene Gesetzesbruch, die EU-Richtlinie gelte nicht in Sachsen-Anhalt ist schon ein starkes Stück. foodwatch gewinnt Prozess um Uran in Mineralwasser, der am 5.9.06 rechtskräftig wurde.

Die Informationsfreiheit macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem Bürger Zugang zu behördlichen Dokumenten und Informationen bekommen. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt gemäß dem Leitprojekt des Programms Moderner Staat - moderne Verwaltung unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Dieses Bürger- und Menschenrecht wird im Informationszeitalter als Teil der Demokratie verstanden und ist in über 65 Staaten der Welt verwirklicht. In mehr als der Hälfte dieser Staaten z. B. Brandenburg (Art. 21 (4)) ist dieses Grundrecht in der Verfassung verankert.

Eines der wichtigsten Argumente für die Einführung der Transparenz staatlichen Handelns mit Hilfe der Informationsfreiheit ist das Vertrauen in den Staat zu stärkenMisstrauen kann abgebaut werden.

In Deutschland wurden die ersten Informationsfreiheitsgesetze 1998 in Brandenburg, 1999 in Berlin, von 2000 an in Schleswig-Holstein und 2002 in Nordrhein-Westfalen verabschiedet.

Im Bund wurde ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) seit 1998 von den von der Wählermehrheit getragenen Koalitionsparteien versprochen. Durch den "Aufstand der Amtsschimmel" wurde die Ausarbeitung des Gesetzes 7 Jahre lang verzögert. Die Koalitionsparteien haben dieses Gesetz deshalb selber erarbeitet und am 17. Dezember 2004 (BT Drs. 15/4493) in den Bundestag eingebracht. Der Bundestagspräsident hat meine Petition über Informationsfreiheit nach 3 Jahren am 22.12.03 an den Bundeskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. Am 3.6.05 wurde das Gesetz im Bundestag beschlossen (Plpr 15/179). Dieses Gesetz ist nur für die Bundesverwaltung und daher nicht zustimmungspflichtig. Am 8.6.05 hat der Bundesrat keinen Einspruch gegen dieses Gesetz erhoben, das am 1.1.2006 in Kraft trat.

Am 20.9.05 schrieb ich eine Petition an 12 Bundesländer mit dem Vorschlag dem Menschenrecht der Informationsfreiheit durch Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes Rechnung zu tragen. Im Jahre 2006 verabschiedeten Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (12.7.06, Drucksache 13/758) Informationsfreiheitsgesetze.

Deutschland ist aber immer noch in 8 Bundesländern: Sachsen-Anhalt, Sachsen (Opposition positiv), Hessen, Bayern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Thüringen (d. h. mehr als 60 % der Bevölkerung) fast das einzige bedeutende Land der EU, Europas, der OSZE, der OECD sowie aller entwickelten zivilisierten Länder ohne Informationsfreiheitsgesetz in Gemeinden, Kreisen und Landesebene.

Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 wurde "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung. Mit der Rechtssache Keim gegen Deutschland beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Antrag Nr. 41126/05 versuche ich Deutschland auf den rechten Weg zu bringen.

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher in 8 Bundesländern.

Die UN, OSZE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

Der Europarat hat 1981 seinen Mitgliedsstaaten die Empfehlung (81) 19 des Europarates zur Informationsfreiheit gegeben. Eine neue Empfehlung Recommendation Rec(2002)2 wurde 2002 beschlossen. Ich begrüße, dass die OSZE sich auf die Informationsfreiheit konzentriert und alle OSZE Staaten einschließlich Deutschland beobachten wird. Auch der Europarat wird im Zusammenhang mit einem Besuch des Menschenrechtsbeauftragten in Deutschland im Jahre 2005 und eines Surveys über Informationsfreiheit Deutschland beobachten. Der Europarat hat außerdem die Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten gegeben und arbeitet an einer bindenden Konvention über die Informationsfreiheit (Anlage 2). Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE), die International Helsinki Federation for Human RightsFOIAdvocates, Access Info Europe, ARTICLE 19 und die Open Society Justice Initiative beobachten Deutschland bezüglich des Menschenrechts der Informationsfreiheit.

In Schleswig-Holstein haben die 2 Abgeordneten der dänischen Minderheit trotz der Untätigkeit der Regierung schließlich eine Mehrheit dafür bekommen. Auch in Berlin, im Bund und in Hamburg wurde trotz des Widerstandes der Verwaltung und der Regierungen die Informationsfreiheit durch das Parlament beschlossen. Warum verweigern Sie den Deutschen in Ihrem Bundesland dieses Grund- und Menschenrecht?

Überall in Europa zuletzt in Nordrhein-Westfalen (2001 mit den Stimmen der CDU), der Türkei (2003), Schweiz (2004), Serbien (2004), Bremen (2006), Hamburg (2006) und Saarland (2006) haben auch konservative Parteien bei der einstimmigen Verabschiedung mitgewirkt und zumindest nicht gegen das Bürger- und Menschenrecht der Informationsfreiheit gestimmt.

Die Regierung und die Mehrheit des Landtages in Sachsen-Anhalt bieten damit nicht die Gewähr dafür sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen und verbleiben die Schandflecken unter den zivilisierten Ländern. Das Grundgesetz bezeichnet in Art. 1 (2) Menschenrechte als "unverletzliche und unveräußerliche (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Mit freundlichen Grüßen  

Walter Keim

Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm  

Kopie: Petitionsausschuss Sachsen-Anhalt, Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), EU Commission, EU Parliament, EU Council, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE, International Helsinki Federation for Human Rights, ECHR und UN

Anlage:

  1. Petition vom 16.9.2005 mit dem Vorschlag das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzuführen: http://wkeim.bplaced.net/files/petition_sa.htm
  2. Sachsen-Anhalt verliert Prozess über Umweltinformation: http://wkeim.bplaced.net/files/060516sa.htm
  3. 10. July 2006: Sdruženi Jihoceské Matky v. Czech Republic, Application no. 19101/03. Decision of  ECHR Admissibility of Access to information. http://merlin.obs.coe.int/iris/2006/9/article1.en.html
  4. 11. April 2006: GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Application no. 11721/04.  ECHR decision to communicate freedom to receive information case to Armenia: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-11721-04.htm
  5. Menschenrechtsverletzungen Deutschlands: Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Informationsfreiheit und faires Verfahren: http://wkeim.bplaced.net/files/de_menschenrechte.htm

Materialien: Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg- Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (Drucksache 13/758) verabschiedeten IFG Gesetze.

Entwicklung:

 

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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

Informationsfreiheitgesetze in Deutschland

Informationsfreiheitgesetze in Europa

 

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