Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit 2004


Englishin English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/foi-de.htm


Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal, den 10.12.2013 (Menschenrechtstag)

An die Fraktion der Grünen
Landtag von Baden-Württemberg
Haus des Landtages
Konrad Adenauer Str. 3
D-70173 Stuttgart

Kopie: Landespressekonferenz, Innenminister Gall, Ministerpräsident Kretschmann

Betreff: Innenministerium hat seine Zusagen bezüglich IFG gebrochen, nun muss 2014 der Landtag selber einen IFG Vorschlag einbringen.


Sehr geehrte Frau Sitzmann,

ich begrüße es, dass die Einführung eines modernen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) Ihnen und Ihrer Fraktion ein wichtiges Anliegen des Koalitionsvertrages vom April 2011 ist.

Leider hat Innenminister Gall meine Anfrage in Abgeordnetenwatch vom 12. Dezember 2011 [1] zum Informationsfreiheitsgesetz unbeantwortet gelassen.

Ursprünglich wurde ein Gesetzentwurf für das Jahr 2011 angekündigt worden (7).

Zunächst sollte die Evaluation des IFG des Bundes am 22.5.2012 abgewartet werden um im Laufe des Jahres 2012 einen Vorschlag in den Landtag einzubringen.

Meine E-Mail an Herrn Ministerpräsident Kretschmann vom 2.4.2013 [2] nach dem rechten zu sehen ("Mut zum Informationsfreiheitsgesetz um Glaubwürdigkeit zu stärken") wurde an das Innenministerium weitergeleitet, das nicht antwortete.

In der Petition 15/2078 [3] wird das Innenministerium zum Termin so zitiert: "Im Hinblick auf die umfangreichen Vorarbeiten und die weiteren Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag, die parallel bewältigt werden müssen, kann ein konkreter Zeitpunkt für die Umsetzung gegenwärtig noch nicht genannt werden." Ein Akteneinsichtsantrag in die Stellungsnahme des Innenministeriums [4] wurde so beantwortet, dass der Menschenrechtscharakter der Akteneinsicht bestritten wurde. Damit wird der Vorschlag internationale Mindestanforderungen nicht erfüllen können [9]. Ist das Innenministerium gegenüber der Öffentlichkeit auf Tauchstation? Dabei wäre ein offener Prozess gerade bei der Erarbeitung dieses Gesetzes wohl ratsam.

Am 6.12.2012 antworteten Sie [5]: "Ich gehe fest davon aus, dass das Innenministerium die Zusage einhalten wird, Mitte 2013 einen dem Koalitionsvertrag entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich es daher nicht für notwendig, eine Einbringung durch die Fraktionen, wie Sie sie skizzieren, vorzubereiten."

Am 23.05.2013 antworteten Sie: "Ich gehe fest davon aus, dass die Landesregierung im Laufe des Jahres 2013 einen dem Koalitionsvertrag entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen wird."

Noch am 16.10.2013 teilte mir das Innenministerium mit, dass der Entwurf im Laufe des Jahres 2013 vorgelegt wird [10].

Bedauerlicherweise wurde alle Zusagen gebrochen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, das Innenministerium darauf aufmerksam machen, dass sowohl im Bund als auch in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen Parlamente ihren eigenen Entwurf einbrachten und verabschiedeten und eigene Vorschläge auszuarbeiten. Es wird ja schon ein Entwurf der FDP im Landtag diskutiert und die Zivilgesellschaft hat einen Entwurf vorgeschlagen [8].

Nun ist das erste Halbjahr 2014 im Gespräch für einen Entwurf.

Wie lange will sich der Gesetzgeber in Baden-Württemberg noch an der Nase herumführen lassen? Wann werden die Koalitionsfraktionen endlich ihren eigenen Vorschlag im Landtag einbringen? Wie lange wird der Landtag noch dulden, dass die Verwaltung eigene Privilegien aus vordemokratischen Zeiten dem Menschen- und Bürgerrecht der Informationsfreiheit vorzieht?

Ich stimme Ihnen zu, dass ein IFG Veränderungen in der politischen Kultur und in der Arbeitsweise der einzelnen Ministerien nach sich ziehen muss und möchte hinzufügen, dass nicht ohne Grund von einer Kulturrevolution gesprochen wird. Allerdings sind Übergangszeiten (in England ca. 5 Jahre) in einem verabschiedeten IFG sachgerechter, als durch Zögern bei der Verwaltung die Hoffnung zu schüren, dass das ausgesessen werden kann. Dazu ist dieses Menschenrecht zu wichtig für die Demokratie [A].

Mit freundlichen Grüßen


--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U

Kopie: Landespressekonferenz, Fraktionen im Landtag Baden-Württemberg, Deutscher Journalisten-Verband (DJV), Abgeordnetenwatch Baden-Württemberg: CDU, Innenminister, FDP, Grüne, MdB Sckerl und SPD.

Anlagen:
  1. 06.12.2011: Abgeordnetenwatch Frage an Innenminister: http://www.abgeordnetenwatch.de/reinhold_gall-597-44345--f319675.html#q319675
  2. 02.04.2013: Brief an Ministerpräsident Kretschmann: "Mut zum Informationsfreiheitsgesetz um Glaubwürdigkeit zu stärken": http://wkeim.bplaced.net/files/130321bw.html
  3. 10.10.2012: Petition 15/2078 über Informationsfreiheitsgesetz in BaWü: http://wkeim.bplaced.net/files/if-bw.html
  4. 07.04.2013: Akteneinsichtsantrag in die Stellungsnahme des Innenministeriums: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-einsicht-bw2.html
  5. 06.12.2012: Abgeordnetenwatch Frage an Fraktionsvorsitzende der Grünen: http://www.abgeordnetenwatch.de/edith_sitzmann-597-44461--f362853.html#q362853
  6. 19.05.2013: Abgeordnetenwatch Frage an Fraktionsvorsitzende der Grünen: http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-597-44461--f379680.html#q379680
  7. MdL Sckerl kündigt 07.07.2011 an, dass noch 2011 ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wird.
  8. Ole Reißmann (06.06.2013): Baden-Württemberg: Journalisten schreiben Transparenzgesetz ("gesellschaftliche Notwehr"): http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/baden-wuerttemberg-soll-transparenter-werden-a-904082.html
  9. Walter Keim (4.10.2013): Wird das IFG internationale Mindestanforderungen des Menschenrechts Informationszugang erfüllen? http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-bw-im.html
  10. Innenministerium (16.10.2013): Entwurf für IFG wird im Laufe des Jahres vorgelegt: http://wkeim.bplaced.net/files/131016bw.html

Antworten:

Quellen: Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht:
  1. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN ("International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies."): http://www.osce.org/fom/89577
  2. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  3. Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
  4. Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  5. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm (Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
  6. Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
  7. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
  8. 2011 Norwegen: 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr: http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html 
  9. Allgemeine Kommentar (Nr. 34) des Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen am 21. Juli 2011 zu Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR): http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1 (Das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen wird detailliert betrachtet; um diesem Recht Nachdruck zu verleihen, werden Staaten ermutigt, „staatliche Informationen von öffentlichem Interesse proaktiv öffentlich zu machen“. Staaten sollten ebenfalls „alle Anstrengungen unternehmen, einen einfachen, schnellen, effektiven und praktikablen Zugang zu solchen Informationen sicherzustellen (z. B. mit Hilfe von Informationsfreiheitsgesetzen)“.)

Internet:
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Anlage: CDU/CSU regierte Bundesländer sind der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

Informationsfreiheitgesetze in Deutschland

Informationsfreiheitgesetze in Europa

 

Informationsfreiheit in Europa