English in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/familyrights.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, 4.5.2008

Landtag NRW
Platz des Landtags 1
D-40221 Düsseldorf


Betreff: Petition (14-P-2007-09243-00) über Menschenrechte: Wann wendet sich NRW von der durch Führererlass eingeführten Dienstaufsicht für Richter ab?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Petition (14-P-2007-09243-00) Vorschläge des Menschenrechtskommissars umsetzen, öffentlich Bedienstete in Menschenrechten schulen, Judikative unabhängig machen und dem Gesetz unterwerfen wurde am 8.4.08 im Wesentlichen so beantwortet:

Gegen die Einbeziehung eines Richterwahlausschusses "sprechen gute Gründe, wie der Umstand dass ein Richterwahlausschuss mangels parlamentarischer Verantwortlichkeit die demokratische Legitimation fehlt."

Das ist schon deshalb völlig falsch, weil in 9 Bundesländern und fast allen Ländern der EU Richterwahlausschüsse, die unabhängig von der Exekutive sind. Ein Richterwahlausschuss mit einer Mehrheit von Parlamentariern hat mehr demokratische Legitimität, als Justizbeamte, die vom Justizminister eingestellt wurden, der vom Ministerpräsidenten ausgewählt wurde.

Das Prinzip der Gewaltentrennung wird als elementarer Bestandteil und Voraussetzung jeder Demokratie betrachtet. Bisher werden in NRW die Richter von der Exekutive ausgewählt, angestellt und befördert, sowie der Dienstaufsicht der Exekutive unterstellt.

Ende neunzehnten Jahrhunderts sagte der preußischer Justizminister Gerhard Adolf Leonhardt, dass Richter ruhig unabhängig sein können, solange er über deren Einstellung und Beförderung entscheiden könne (vgl. Hülle, DRiZ 1976, 18 f. sowie die Hinweise in DRiZ 1975, 341 f.). Das ist bis heute im Wesentlichen so geblieben.

Damals waren Richter der Verwaltungsgerichte, wie auch die Rechnungshöfe keiner Dienstaufsicht der Regierung unterworfen: Wie hätten sie eben die Regierung kontrollieren sollen?

Allerdings war Hitler die Regelung des Kaiserreiches ohne Dienstaufsicht beim Umbau Deutschlands zum diktatorischen Führerstaat im Wege. So waren die Richter des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes von dessen Gründung im Jahre 1875 an von jeder Dienstaufsicht durch die Exekutive frei. Gleiches galt für das Sächsische Oberverwaltungsgericht. Sie verloren diese Freiheit durch § 7 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung vom 29.04.1941 zum Führer-Erlass über die Errichtung des Reichsverwaltungsgerichtes (RGBl I S. 201: Erste DV = RGBl I S. 224). Von da an übte der Reichsminister des Innern die oberste Dienstaufsicht aus.

Die im Jahre 1877 (Reichsjustizgesetze) strukturell eingerichtete Vormundschaft der Exekutive über die in Angelegenheiten der Justiz sprachlos gehaltenen Richterinnen und Richter ist im heutigen (West- und Mittel-) Europa eine deutsche Besonderheit. Man hat ihr einen neuen Namen gegeben: "Gewaltenverschränkung". In Deutschland wurden aber keine drei Staatsgewalten miteinander "verschränkt"; es hätte sie erst einmal geben müssen. Die deutsche Justiz war im kaiserlichen Obrigkeitsstaat ein Teil des Geschäftsbereichs der Regierung und sie ist es geblieben. Nach 1918 wie vor 1918. Nach 1945 wie vor 1945. Nach 1949 (trotz Art.97 GG) wie vor 1949. Bis zum heutigen Tage.

Ein Bürger, der vor dem Verwaltungsgericht einen Rechtsstreit gegen die Regierung führt trifft in NRW auf einen Richter, der von der Regierung ausgewählt, angestellt, befördert und der Dienstaufsicht unterliegt. Diese Abhängigkeit widerspricht das "Richter anabhängig (sind) und nur dem Gesetz unterworfen" (Art. 97 (1) GG ), Art. 6 der EKMR und der Praxis in fast allen anderen Staaten der EU.

Die Rechtsaufsicht sieht dann so aus, dass der objektiv von der Exekutive abhängige Richter immer dann als "unabhängig" bezeichnet wird, wenn es gilt die Bindung an das Gesetz (Bürgerrechte) aufzuheben (Art.97 GG). Die Exekutive greift dann nicht ein (Anlage L). Allerdings bekommen Richter Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, falls sie die Gesetze zugunsten von Bürgern auslegen.

Das Resultat dieser völlig von der Verwaltung abhängigen Richter wurden aufgrund von mehr als 1000 Zuschriften von verzweifelten Anwälten an die Zeitschrift für anwaltliche Praxis (ZAP) so beschrieben:

"Es gibt in der deutschen Justiz zu viele machtbesessene, besserwissende und leider auch unfähige Richter, denen beizukommen offenbar ausgeschlossen ist." (Dr. Egon Schneider, ehem. Richter am OLG, in ZAP 6/1999).

Auch die "Bamberger Erklärung" vom 21. Oktober 2007 verabschiedet im Rahmen des internationalen Symposiums "Deutsche Jugendämter und Europäische Menschenrechtskonvention" unter der Leitung : Annelise Oeschger, Präsidentin der Konferenz der Internationalen Nichtregierungs-Organisationen des Europarates (Anlage H: http://presseblog.blogger.de/stories/983762) stellt fest:

"Im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzes in Deutschland, namentlich von Seiten der Jugendämter, kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere der von Art. 3 (Verbot der Folter), Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren vor unabhängigen Gerichten), Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), Art. 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) und Art. 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte".

Die Präsidentin der NGO`s des Europarates sendete die Bamberger Erklärung an Marcin Libicki, Vorsitzender des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes und an Thomas Hammarberg Kommissar für Menschenrechte des Europarates. (Anlage J: http://deutsche-jugendamt.blogspot.com/2007/11/bamberg-declaration-send-to-eu-and-coe.html)

Da dies, wie die Antwort des Landtages von NRW dokumentiert, total ignoriert wird, wenden sich Betroffene an das Europäische Parlament. Dort sind schon mehr als 250 Petitionen anhängig.

In der Plenardebatte des EU Parlament am 16.1.08 nat MEP Rogalski die Probleme mit deutsche Jugendämtern angesprochen (Anlage 1).

Der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes hat an die Familienministerin der Bundesrepublik Deutschland Frau Ursula von der Leyen einen Brief geschrieben (Anlage 2).

Im Europaparlament wird eine Entschließung diskutiert (Anlage 3), die Deutschland verurteilt.

Wann beschäftigt sich das Parlament in NRW mit den Vorschlägen des Menschenrechtsbeauftragten des Europarates (Anlage A)? Wann werden Familienrechtliche Probleme ernst genommen (Anlage K)? Wann wendet sich NRW von der durch Führererlass eingeführten Dienstaufsicht für Verwaltungsrichter ab?

Im Artikel 20 GG steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und die "vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an" (das von der gewählte Volksvertretung beschlossene) "Gesetz und Recht gebunden". Damit ist auch in NRW eine Demokratie europäischen Typs möglich, wenn die Abgeordneten nur wollen und sich getrauen.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim
Netizen: http://sites.google.com/site/walterkeim/de

 

Anlagen:

  1. 16.01.08: Plenardebatten EU Parlament: MEP Rogalski über deutsche Jugendämter. http://wkeim.bplaced.net/files/080116_eup.htm
  2. 24.02.08: Brief vom Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes an die Familienministerin der Bundesrepublik Deutschland Frau Ursula von der Leyen: http://www.petra-heller.com/fileadmin/user_upload/petra-heller/Dokumente/TranslationLibickiLeyen.pdf
  3. 2008: MOTION FOR A EU-RESOLUTION: Germany does not respect international law: http://wkeim.bplaced.net/files/MOTION_Rogalski.html

 

Antwort:

 

Anlagen im Internet publiziert:

  1. Pressemitteilung des Europarates 11.7.07: Bericht des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Deutschland 9. – 11. und 15. – 20. Oktober 2006: http://wkeim.bplaced.net/files/Bericht-des-Menschenrechtskommissars.html, https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?Ref=CommDH(2007)14&Language=lanGerman  Deutsche Institut für Menschenrechte mit der Beobachtung der Menschenrechte in Deutschland beauftragen, nationalen "Aktionsplan Menschenrechte" entwickeln.
  2. 11.8.2007: Bundesjustizministerin Zypries: Menschenrechtsverletzungen in Deutschland: Praxis des Deutsches Familienrechts im internationalen Vergleich: http://wkeim.bplaced.net/files/0708bmj.htm
  3. EU Parlament 7.6.07: Deutsche Jugendämter missachten Recht auf Familie Kindern, Eltern und Großeltern: "Deutschland, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach verurteilte, sei aber nicht verpflichtet, Abhilfe zu schaffen.": http://openpr.de/news/139648/Deutsche-Jugendaemter-missachten-Recht-auf-Familie-Kindern-Eltern-und-Grosseltern.html
  4. Defamation in international law, OSCE, Council of Europe and law in Germany: http://wkeim.bplaced.net/files/defamation.htm
  5. Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes hat am 27. April 2007 fordert Gewaltenteilung: http://web.archive.org/web/20140107004837/http://www.gewaltenteilung.de/drb07.htm
  6. Gewaltentrennung in Deutschland und Europa: http://wkeim.bplaced.net/files/gewaltentrennung.htm
  7. Querulanten in Richterrobe, 31.03.2007, Politik - Seite 04: Rolf Lamprecht (Ehrenvorsitzender der "Justizpressekonferenz Karlsruhe"): http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0331/politik/0056/index.html
  8. "Bamberger Erklärung" vom 21. Oktober 2007: http://presseblog.blogger.de/stories/983762
  9. Die Präsidentin der NGO`s des Europarates sendet die Bamberger Erklärung an Marcin Libicki, Vorsitzender des Petitionsausschusses des Europäischen Parlamentes und an Thomas Hammarberg Kommissar für Menschenrechte des Europarates: http://deutsche-jugendamt.blogspot.com/2007/11/bamberg-declaration-send-to-eu-and-coe.html
  10. 26.11.07: Präsidentin der NGO-Konferenz des Europarats verurteilt Menschenrechtsverletzungen und fordert Abschaffung der Jugendämter. Video: http://www.rpdd.eu/filme/frOeRedePetAus 22.11.07.wmv
  11. Verletzungen in Bereich des deutschen Familienrechts: http://wkeim.bplaced.net/files/familienrecht.htm
  12. Rechtsanwalt Dr. Egon Schneider: ZAP-Kolumne. Richterdienstaufsicht - ein Experiment: http://www.beschwerdezentrum.org/justizirrtum/forum/posts/3672.html
  13. Petition (14-P-2007-09243-00): Vorschläge des Menschenrechtskommissars umsetzen, Judikative unabhängig machen und dem Gesetz unterwerfen: http://wkeim.bplaced.net/files/petition_nrw-m.htm
  14. 08.04.08: Einen Anlass zu Maßnahmen gibt das Vorbringen der Petition nicht: http://wkeim.bplaced.net/files/080408nrw.pdf



     

 

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